Neueste Studie zur Mundgesundheit in Deutschland
Mundgesundheit Blitzblank gebürstet
Sie haben ganze Arbeit geleistet, trotzdem finden die Gesellen Karius und Baktus in Deutschland kaum noch ein Zuhause: Jugendliche putzen einer neuen Studie zufolge brav die Zähne und haben nur noch selten Karies. Von Michael Bauchmüller, Berlin
Karius und Baktus haben wirklich ganze Arbeit geleistet, nicht nur beim kleinen Jens. Die beiden “wunderlichen Burschen”, die mit Hacke und Hammer kleine Löcher in Jens’ Zähne meißeln, erklären seit 1949 Kindern Sinn und Nutzen der Zahnbürste (der “gräulichen Zahnbürste”, wie Karius sagt). Knapp 70 Jahre später finden die beiden Gesellen hierzulande kaum noch ein Zuhause.
Das zumindest legt die neueste Studie über die Mundgesundheit der Deutschen nahe, das Institut der Deutschen Zahnärzte hat sie am Dienstag vorgelegt. Noch Ende der 1980er-Jahre, als die erste “Mundgesundheitsstudie” erschien, hatten mehr als 86 Prozent der Zwölfjährigen Karies. Inzwischen hat sich das Verhältnis nahezu umgekehrt. Bei der Untersuchung von knapp 1500 Jugendlichen stieß das Institut nur noch bei jedem fünften auf eine Füllung. Auch die Herkunft spielte dabei eine Rolle. Unter Kindern mit “hohem Sozialstatus” waren 88 Prozent kariesfrei, bei solchen mit “niedrigem” Status immerhin noch 75 Prozent. Gemessen an den Zahlen von einst ist allerdings auch das ein gewaltiger Fortschritt. Nirgends auf der Welt zeigten Studien derart gute Ergebnisse wie hierzulande. Die Zahnärzte sehen den Grund vor allem bei sich selbst: Es habe sich ausgezahlt, mehr auf Vorsorge zu setzen. “Darauf können wir stolz sein”, sagt Peter Engel, der Chef der Bundeszahnärztekammer.
Und offenbar hat dazu nicht nur der häufigere und bessere Gebrauch der Zahnbürste beigetragen, sondern auch die Versiegelung sogenannter Fissuren an den Backenzähnen: Kleine Rillen und Vertiefungen, in denen wunderliche Burschen wie Karius und Baktus erfahrungsgemäß besonders leichtes Spiel haben. Mittlerweile seien bei sieben von zehn Kindern diese Fissuren versiegelt. Alle anderen gehen ein dreimal so hohes Karies-Risiko ein.
Aber nicht nur in den Mündern von Jugendlichen sieht es mittlerweile besser aus. Bei Erwachsenen zwischen 35 und 44 Jahren waren noch 1997 im Schnitt 16 Zähne gefüllt, kariös oder fehlten manchmal ganz. Mittlerweile sind das nur noch elf. Bei Senioren zwischen 65 und 74 Jahren ging die Zahl der betroffenen Zähne auf knapp 18 zurück – von mehr als 23 im Jahr 1997. Auch Parodontose-Erkrankungen sind bei Erwachsenen seltener geworden, ebenso die Zahl der Zahnlosen unter den Senioren: Nur jeder achte hat alle Zähne eingebüßt und ist auf ein künstliches Gebiss angewiesen – 1997 war es jeder Vierte. Die Zahl der Implantate stieg massiv an.
Die Probleme verschieben sich damit zunehmend ins hohe Alter. Erstmals untersuchte die Studie auch Senioren mit Pflegebedarf. Bei ihnen verschlechtert sich der Zustand der Zähne rapide, mit mehr Karies, mehr Zahnfleischbluten, weniger Zähnen. Selbst zum Zahnarzt gehen können Pflegebedürftige aber meist nicht mehr. “Darauf müssen wir uns einstellen”, sagt Wolfgang Eßer, Chef der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung. “Wenn die Menschen nicht mehr zu uns kommen können, dann müssen wir zu ihnen kommen.” Arbeit jedenfalls gebe es noch satt im Mundwerk.
Quelle: Süddeutsche Zeitung / Panorama